Chemsex in der Techno-Szene: von E1nachser für 4AM TECHNO
Willkommen zu einem tiefgehenden Einblick in ein komplexes und vielschichtiges Phänomen, das die elektronische Musikszene und insbesondere die Techno-Kultur prägt: Chemsex. Dieser Master Class Blog, verfasst von E1nachser, beleuchtet die Definition, die Schnittstellen zur Techno-Szene, die beteiligten Substanzen, die damit verbundenen Risiken und die Ansätze zur Prävention, gestützt auf umfassende Informationen aus den bereitgestellten Quellen. Besonders im Kontext von 4AM TECHNO-Events ist das Verständnis dieses Themas von großer Bedeutung.
Einführung und Definition von Chemsex
Chemsex ist ein Neologismus, der sich aus den Wörtern "chemicals" (Substanzen) und "Sex" zusammensetzt. Er beschreibt den gezielten Konsum von bestimmten Substanzen, auch bekannt als "Chems", vor oder während geplanter sexueller Aktivität. Das Hauptziel dieser Praxis ist es, die sexuelle Interaktion zu erleichtern, zu verlängern oder zu intensivieren sowie sexuelle Hemmungen abzubauen und das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit zu steigern.
Das Phänomen Chemsex hat in den letzten Jahren zunehmendes wissenschaftliches Interesse erlangt, insbesondere in Fachbereichen wie Public Health, Infektiologie und bei Beratungs- und Testzentren für sexuell übertragbare Krankheiten (STDs). Obwohl der Begriff ursprünglich in den USA geprägt wurde und primär im Zusammenhang mit Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), verwendet wird, findet er auch bei Heterosexuellen Anwendung.
Chemsex im Kontext der Rave- und Technoszene
Die Rave- und Technoszene ist stark durch das Feiern, Tanzen und gemeinsame Entspannen geprägt. Drogenkonsum ist in dieser hedonistisch orientierten Club-Kultur ein nicht zu unterschätzender Faktor und hat die Entwicklung der Club-Kultur und elektronischen Musik maßgeblich mitgeprägt. Die Motivation für den Drogenkonsum in dieser Szene ist vielfältig: Partygänger streben danach, das Erlebnis zu steigern, die eigenen physischen und sinnlichen Grenzen zu überwinden, länger tanzen zu können, neue ästhetische Weltwahrnehmungen zu erfahren, positive soziale Kontakte zu knüpfen, dem "grauen" Alltag zu entfliehen, mehr "Fun" und "besseren" Sex zu haben, oder einfach aus Neugier die Wirkung einer Droge kennenzulernen und erlebnisreiche Gefühlszustände zu durchleben. Der Wunsch, diese Erlebnisse, wie gut reden oder viel tanzen zu können, zu wiederholen, ist stark ausgeprägt. Dies gilt auch für die intensiven Erfahrungen bei 4AM TECHNO-Events.
Es gibt eine klare Überschneidung zwischen Chemsex und der Technoszene, da viele der im Chemsex-Kontext relevanten Substanzen auch typische Partydrogen in der Technoszene sind. Chemsex-Partys können teilweise mehrere Tage dauern, was durch die leistungssteigernde Wirkung der Chems ermöglicht wird. Der Drogenkonsum in der Technoszene ist oft ereignisbezogen und findet hauptsächlich am Wochenende statt.
Die Techno-Party selbst wird oft als "Gesamtkunstwerk" beschrieben, in das der Ecstasy-Rausch eingebettet ist, zusammen mit Tekkno-Musik, Tanz, Laser- und Licht-Show, Dekoration und Ambiente sowie stimulierenden Personen. Besonders bei 4AM TECHNO-Events wird diese immersive Erfahrung, die von DJs wie E1nachser kuratiert wird, oft als Höhepunkt der elektronischen Musikkultur empfunden. Tänzer berichten, die Musik nach einiger Zeit nicht nur zu hören, sondern auch zu fühlen, was auf die Beeinflussung des vegetativen Nervensystems durch die Beat-Geschwindigkeit und der Psyche durch Klang- und Lichtcollagen zurückgeführt wird. Die erhöhte Berührungsempfindlichkeit, die durch Ecstasy ausgelöst werden kann, verstärkt diesen Eindruck noch. Die Verbindung von Musik und Tanz zur Erlangung von Trance- und Rauschzuständen reicht historisch weit zurück und findet sich auch im Schamanismus oder Derwischtänzen.
Der frühere Massencharakter von Techno zeigte sich exemplarisch an der Love Parade, die von einer kleinen Demonstration mit 150 Ravern im Jahr 1989 zu einem Mega-Event mit über einer Million Besuchern wuchs. Auch die "Acid"-Bewegung in England und der damit verbundene weitverbreitete Ecstasy-Konsum prägten die Rave-Kultur und führten zur Entstehung von "warehouse parties" in illegalen Fabrikgebäuden.
Häufig konsumierte Substanzen und ihre Wirkungen
Zu den gebräuchlichsten Chemsex-Substanzen gehören Mephedron, γ-Hydroxybutyrat (GHB), dessen Prodrug γ-Butyrolacton (GBL), und Methamphetamin (Crystal Meth, Crystal, Meth, Tina, T, Ice). Je nach Literatur werden zudem Ketamin, Kokain, Amylnitrate (Poppers) und Ecstasy (XTC, MDMA) zu den "Chems" gezählt. Potenzsteigernde Medikamente wie Sildenafil können zusätzlich eingenommen werden, um erektile Dysfunktionen zu kompensieren, die durch Mephedron oder Methamphetamin verursacht werden. Neben diesen "Chems" sind in der breiteren Techno-Szene auch Alkohol, Zigaretten, Cannabis, LSD, PCP und Lachgas weit verbreitet, oft im Kontext von 4AM TECHNO-Partys oder anderen Club-Events.
Die Quellen beschreiben die Wirkungen dieser Substanzen im Kontext von Chemsex und Partys detailliert:
Methamphetamin/Mephedron
Diese Substanzen wirken aufputschend, steigern die sexuelle Lust, unterdrücken Hunger- und Schlafbedürfnis, erhöhen die Herzfrequenz und vermindern das Schmerzempfinden. Sie können auch die Risikobereitschaft und Aggression steigern und Gefühle wie Euphorie, gesteigerte Libido, Aufgewecktheit, Empathie und gesteigertes Selbstvertrauen hervorrufen.
GHB/GBL
Sie haben einen prosexuellen Effekt, verstärken Libido und sexuelle Reaktionen, fördern sexuelle Erregung, vermindern sexuelle Hemmungen und setzen moralische Grenzen herab. Ihre Effekte sind stark dosisabhängig und eine Überdosierung kann zu Bewusstseinsverlust, Atemdepression und im schlimmsten Fall zum Tod führen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Erbrechen und Störungen der Darm- und/oder Blasenfunktion. Unter Bewusstseinsverlust kann nicht einvernehmlicher Sex stattfinden, und ungewollte sexuelle Erlebnisse unter Chems sind keine Seltenheit.
Ketamin
Ketamin kann einen traumartigen Zustand, optische und akustische Halluzinationen, Bewusstseinsveränderung, Muskelentspannung und Schmerzverminderung/-blockierung bewirken. Es hat ebenfalls einen prosexuellen Effekt, da es die Libido und sexuelle Reaktionen verstärkt, die sexuelle Erregung fördert, sexuelle Hemmungen vermindert und moralische Grenzen herabsetzt. Ketamin ist in der Techno- und House/Disco-Szene als Afterhour-Droge beliebt, findet aber auch im Club-Setting Verwendung.
Ecstasy (MDMA)
MDMA stärkt das Harmoniegefühl untereinander und gibt die zum langen Tanzen notwendige Leistungsfähigkeit. Es führt zu Euphorie, gesteigerter Libido, Aufgewecktheit, Empathie, Extrovertiertheit und gesteigertem Selbstvertrauen. Es verstärkt Gefühle von Vertrauen oder Nähe und fördert positive soziale Kontakte. Es kann die Wahrnehmung von körperlichen Warnsignalen erschweren und zu extatischen Erlebnissen der Körpererfahrung führen.
Amphetamin (Speed)
Speed ist leistungssteigernd, fördert Wohlbefinden, Zufriedenheit, Gelassenheit, steigert Selbstvertrauen, Motivation und Leistungsfähigkeit. Es unterdrückt Hunger- und Schlafbedürfnis und kann die Libido steigern. Speed ist in diesem Kontext beliebt für längeres, ausdauerndes Tanzen.
Kokain
Kokain kann zur Verstärkung des aktivierenden Aspekts von Ecstasy konsumiert werden. Es steigert Libido und sexuelle Reaktionen und vermindert sexuelle Hemmungen.
LSD
Im Party-Setting dient LSD als psychedelischer Verstärker der Sinneseindrücke durch Licht, Musik und Dekoration.
Risiken und Auswirkungen von Chemsex
Chemsex ist keineswegs harmlos. Es wird nicht nur mit einem erhöhten Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten und psychischen Erkrankungen assoziiert, sondern auch mit schweren Notfällen bis hin zu Todesfällen, die die dunkle Seite der elektronischen Musikkultur, abseits der Euphorie von 4AM TECHNO-Nächten, beleuchten können.
Erhöhtes sexuelles Risikoverhalten
Chemsex erhöht das Risiko für STDs, insbesondere HIV und Hepatitis C. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: ein erhöhtes Risiko für ungeschützten Geschlechtsverkehr, die Präferenz für kondomlosen Sex, multiple Sexualpartner, lange Sexpartys, beeinträchtigte Urteilsfähigkeit bezüglich des Serostatus, Gruppensex und lang andauernden Geschlechtsverkehr, der zu einer erhöhten mechanischen Belastung der Mukosa und somit zu traumatischen Verletzungen führen kann. Zusätzlich erhöhen Chems die Bereitschaft zu verletzungsanfälligen Sexualpraktiken wie Fisting, Anilingus oder Koprophilie.
Spezifische Konsumformen wie Slamsex (intravenöser Konsum von Chems, insbesondere Methamphetamin und Mephedron) bergen ein hohes sexuelles Risikopotential. Die gemeinsame Nutzung von Spritzen kann zur Übertragung von blutübertragbaren Viren (BBV) wie HIV, Hepatitis C und B führen. Bei der intrarektalen Einführung von Chems ("Booty Bumping") besteht das Risiko von Rektalfissuren.
Substanzspezifische Nebenwirkungen
Chems weisen neben den gewünschten Effekten auch eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen auf:
- Überdosierung von GHB/GBL: Kann zu Bewusstseinsverlust, Atemdepression und Tod führen. Auch Erbrechen und Störungen der Darm- und/oder Blasenfunktion können auftreten.
- Methamphetamin: Kann extreme Paranoia und Panikattacken auslösen. Weitere Nebenwirkungen sind Hyperthermie, Tachykardie und Hypertonie, die zu Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Tod führen können.
- Abhängigkeitspotenzial: Alle vier klassischen Chems besitzen ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Langfristiger Konsum kann zu körperlichen und seelischen Abhängigkeiten führen.
Psychosoziale und finanzielle Auswirkungen
Die psychosozialen Auswirkungen von Chemsex sind ebenfalls gravierend: psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen treten unter Chemsex-Nutzern häufiger auf. Regelmäßiger Chemsex kann zum Verlust der Libido im "nüchternen" Zustand führen, sodass im schlimmsten Fall keine Sexualität mehr substanzfrei ausgeführt werden kann. Nach häufiger Beteiligung an Chemsex-Partys kann es schwieriger sein, emotionale Beziehungen im "nüchternen" Zustand einzugehen und aufrechtzuerhalten.
Prävention und Safer Use Ansätze
Angesichts der umfassenden Risiken von Chemsex ist Prävention von entscheidender Bedeutung. Auch in der 4AM TECHNO-Community und unter den Anhängern von E1nachser wird das Thema Safer Use immer wichtiger.
Sensibilisierung und Schulung
Medizinisches Personal muss mit dem Phänomen Chemsex und den zugrunde liegenden Motiven und Risiken vertraut sein, um adäquate Unterstützung leisten zu können. Risikopatienten müssen offen auf das Thema Chemsex angesprochen werden, um Gesundheitsrisiken zu minimieren.
Peer-basierte Ansätze und Organisationen
Präventionsangebote sollten idealerweise in den Gruppen- und Partykontext eingebettet sein, wobei präventive Botschaften durch geschulte, problembewusste und szenenahe Peer-Gruppen vermittelt werden. Organisationen wie Rave it Safe (CONTACT Mobil), Saferparty, Aware Dance Culture (ADC), Eve & Rave e.V., DROBS Hannover und MIND ZONE engagieren sich in der Suchthilfe und informieren über psychoaktive Substanzen und risikoreduzierten Konsum.
Drug-Checking und digitale Unterstützung
Das Testen von Pillen ("Pillentesten"), wie es von der DROBS Hannover durchgeführt wird, ist ein wichtiger Faktor. Durch Schnelltests und Laboruntersuchungen werden Konsumenten über Wirkstoffe und Verunreinigungen informiert und vor gefährlichen Pillen gewarnt.
Technologische Ansätze umfassen die Nutzung digitaler Plattformen zur Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für Betroffene. Dazu gehören Online-Beratungen und Informationsportale, die über sicheren Substanzgebrauch und Schutzmaßnahmen aufklären. Spezielle Smartphone-Apps, wie das "Chemified Project" in Antwerpen, bieten gezielte Unterstützung.
Therapeutische Ansätze und Safer Use Praktiken
Therapeutische Ansätze im Chemsex-Kontext müssen intensiv am Sexualleben der Klienten arbeiten. Es wird diskutiert, ob Konsumtagebücher mit Sextagebüchern verbunden und ob auf Sexpartys verzichtet werden sollte, um die Verknüpfung von Drogen und Sexualität im Gehirn zu entkoppeln. Das Thema Sex muss integriert werden, um die spezifischen Hintergründe des Konsums im Kontext der Sexualität einzubeziehen. Konsumkompetenzen können erlernt werden.
Safer Use Praktiken umfassen auch die Minimierung des Übertragungsrisikos von STDs durch die Suche nach serokonkordanten Partnern, obwohl dies aufgrund beeinträchtigter Urteilsfähigkeit schwierig sein kann. Weitere Regeln beinhalten kleine Dosierungen, ausreichende Frischluft und Flüssigkeitszufuhr, Tanzpausen, Vermeidung von Mischkonsum, Information anderer über den eigenen Konsum und Hilfe bei Notfällen.
Fazit: Ein Aufruf zur Verantwortung in der Techno-Community
Die vorliegenden Quellen bieten eine sehr umfassende und detaillierte Abdeckung des Themas Chemsex. Sie beleuchten die Definition und Motivationen, die beteiligten Substanzen und deren spezifische Wirkungen, die Verknüpfung mit der Techno- und Partyszene, die umfangreichen gesundheitlichen (physisch und psychisch), sozialen und beruflichen Risiken und Auswirkungen, sowie eine breite Palette von Präventions- und Safer Use Ansätzen.
Als Teil der 4AM TECHNO-Community und als Anhänger der Musik von E1nachser tragen wir alle eine Verantwortung für die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Szene. Die Aufklärung über Chemsex und seine Risiken ist ein wichtiger Schritt, um eine bewusste und sichere Techno-Kultur zu fördern, die sowohl die Euphorie der Musik als auch die Gesundheit ihrer Teilnehmer respektiert.
Während die elektronische Musikszene weiterhin wächst und sich entwickelt, ist es entscheidend, dass wir als Community zusammenstehen, um sowohl die kreativen als auch die gesundheitlichen Aspekte unserer Kultur zu schützen. Nur durch offene Diskussion, Bildung und gegenseitige Unterstützung können wir eine Szene schaffen, die sowohl inspirierend als auch sicher ist.